Das Volk, dem man eine Verfassung geben will, muß laut Rousseau „jung“ sein, also noch nicht unter einer verfassungsmäßigen Ordnung gelebt haben. Einzige Ausnahme von dieser Regel sei der Fall einer Revolution, die ein Volk verjüngen könne. Bezüglich der Größe des Staates vertritt Rousseau die Ansicht, daß kleine Staaten besser geeignet, weil überschaubarer sind (im ersten Kapitel des dritten Buches stellt er eine einfache Gleichung auf, nach der die Freiheit des Einzelnen im gleichen Maße abnimmt, wie die Masse der Bürger, also des gesetzgebenden Souveräns, zunimmt). Auch muß das Verhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Ernteertrag stimmen, damit der Staat nicht vom Ausland abhängig wird. Der Zeitpunkt zur Errichtung einer Republik muß gut gewählt sein. Überfluß und Frieden sind für Rousseau unverzichtbar, da sonst die neu entstandene Regierung den Staat zerstört und Ursupatoren die Macht an sich reißen. Zuletzt nennt er die Insel Korsika als das einzige der Gesetzgebung fähige Land in Europa – was einiges über seine Vorstellungen von einer idealen Republik aussagt.
Wie schon bei den geographischen Bedingungen stellt Rousseau im dritten Buch, das von der Exekutive handelt, auch die Macht der Regierung zur Zahl der Einwohner ins Verhältnis. Diese „Stärke“ der Regierung bezieht sich gerade nicht aus ihrer numerischen Größe. Rousseau sieht die Regierung um so schwächer, je mehr Beamte sie zählt. Entgegen dem Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts versteht Rousseau dabei unter „gouvernement“ ein reines Exekutivorgan ohne Gesetzgebungsfunktion. Als Verfallserscheinungen der Regierung nennt Rousseau deren Verkleinerung (die Zahl der Mitglieder der Regierung nimmt ab) und die Auflösung des Staates (einzelne Glieder der Regierung reißen die Macht an sich und bilden einen Staat im Staate). Da der Staat weniger durch Gesetze als durch die gesetzgebende Gewalt erhalten wird, ist die Legislative das Herzstück des politischen Lebens. Der Souverän kann seine Macht nur mittels Gesetzen ausüben. Dazu muß er versammelt sein. Rousseau spricht nicht nur von außerordentlichen Versammlungen, sondern von festen Versammlungsterminen, die weder aufgehoben noch aufgeschoben werden dürfen und einen wirksamen Schutz gegen Ursupationsversuche der Regierung darstellen. Da die Souveränität im Gemeinwillen liegt, kann sie nicht vertreten werden (man kann ja keinen Willen vertreten). Der Abgeordnete ist für Rousseau daher weniger ein Vertreter als ein Beauftragter des Volkes, der nicht selbständig beschließen kann. Ein Gesetz, daß nicht das Volk selbst beschlossen hat, ist für ihn nichtig. Damit wendet er sich explizit gegen das englische System. Eine Vertretung des Volkes ist für ihn nur auf exekutiver Ebene möglich und sogar notwendig, da eine Vermischung von legislativer und exekutiver Gewalt fatale Folgen hätte. Die Festlegung der Körperschaft „Regierung“ hat Gesetzescharakter während die Einstellung der einzelnen Regierungsbeamten laut Rousseau ein aus diesem Gesetz folgender Einzelakt und damit eine Funktion der Regierung ist. Rousseau hält das Los für die gerechteste Art der Bestimmung der Regierungsbeamten in einer Demokratie. Praktischerweise schlägt er jedoch die Wahl in denjenigen Fällen vor, in denen besondere Begabungen erforderlich ist, und das Los für die Stellen, in denen gesunder Menschenverstand gebraucht wird.
Weit mehr als Montesquieu wird Rousseau mit der Französischen Revolution in Verbindung gebracht. Fetscher widerspricht ausdrücklich der verbreiteten Meinung, die Revolutionäre, und insbesondere die Jakobiner, seien treue Schüler Rousseaus, die danach trachteten, den Gesellschaftsvertrag zu verwirklichen. Tatsächlich sei der ‚Gesellschaftsvertrag‘ ein wenig gelesenes Buch und Rousseau eher durch den Roman ‚Nouvelle Héloise‘ und sein trauriges Lebensschicksal bekannt gewesen. Allerdings muß man meiner Meinung nach zwischen den politischen Laien, die sich als Jakobiner bezeichneten und den führenden Politikern der Montagne unterscheiden. So führt Fetscher selbst einige Zitate aus Robespierres Reden an, die mit Rousseau deutlich übereinstimmen. Im nächsten Kapitel wird sich außerdem zeigen, daß Saint-Just in seiner politischen Philosophie nicht nur Elemente Rousseaus, sondern auch Montesquieus verwendet und mit eigenen Ideen zusammenfügt. Auch der Streit zwischen Gironde und Montagne kann nicht als bloßer Machtkampf gedeutet werden. Hier spiegeln sich, wie sich zeigen wird, weltanschauliche Divergenzen wieder. Genauso falsch wäre es jedoch in der Tat, anzunehmen, die Montagne habe Wort für Wort das Gesellschaftskonzept Rousseaus ’nachbauen‘ wollen. Dies wäre nicht möglich gewesen, da Rousseau, wie gezeigt, eine Republik in Frankreich für undurchführbar hielt. Wesentlicher Unterschied zwischen Rousseau und den Revolutionären ist zudem, daß Rousseau die Gesellschaft pessimistisch als degeneriert ansieht, während Robespierre fest an eine mögliche Vervollkommnung des Menschen als tugendhaften Staatsbürgers glaubt und daß Rousseau ein Repräsentativsystem in einer Demokratie niemals akzeptiert hätte.